Die Bahnfahrt von Hamburg nach Münster dauert üblicherweise 2:15 Stunden - ist also ebenso üblicherweise keiner besonderen Erwähnung wert. Eine "Bahnreise" ist diese Verbindung also eigentlich nicht. Es sei denn, es gibt vereiste Oberleitungen (wie einst zu Heiligabend geschehen) oder eine Leiche wird auf den Gleisen bei Diepholz gefunden (wie heute geschehen).
Nun hat die Bahn ja im Laufe der Jahrzehnte einen riesigen Erfahrungschatz mit Stör- und Ausfällen angesammelt, somit können die Züge gut umgeleitet werden. Im heutigen Fall war das aber keine gute Idee.
Durch die Umleitung über Löhne und Hamm konnten wir Fahrgäste deutsche Ortschaften und Landschaften vorbeiziehen sehen, die uns bei der vorgesehen Strecke verborgen geblieben wären. Die Fahrgeschwindigkeit hat mich auch eher an einen der historischen Züge erinnert, wie sie zur touristischen Attraktion gerne vom Abstellgleis geholt werden. Diese Züge werden häufig in Gegenden mit besonders sehenswerter Landschaft eingesetzt. Besonders sehenswert war die Kulturlandschaft am Steckenrand aber nicht - zuweilen aber schön grün - dem Frühling sei Dank.
Letztendlich bin ich nach 6:30 Stunden in Münster gelandet. Ohne die in Down Under gelernte Gelassenheit hätte ich bei dieser Tour vermutlich so viel Energie verloren, dass mein geplantes Brainstorming in Münster überhaupt nicht mehr stattgefunden hätte. Wir haben es dann am Aasee in freundlicher Umgebung und in verkürzter Form trotzdem gemacht und einen kreativen Austausch erreicht.
Vielleicht könnten daraus auch ein paar gute Ideen für die Verbesserung der Kommunikation der Bahn in kleinen "Krisenfällen" (am Ort des Geschehens) entstehen - die kann nämlich noch einiges an Optimierung gebrauchen. Für die Bahn war das Geschehene vermutlich keine Krise, für mich auch nicht wirklich, aber für einige meiner Mitreisenden scheinbar schon. Schlimm war für viele, dass niemand zu wissen schien, wann der Zug an den neuen Zwischenstationen ankommt. Leider haben die Zugbegleiter diese Informationen auch nur auf Anfrage preisgegeben bzw. erklärt, dass der genaue Verlauf noch unklar sei. Der Einsatz des Informationkanals "Lautsprecherdurchsage" lag den Bahnmitarbeitern scheinbar nicht so nahe. Eine Aktualisierung von Informationen hätten sich viele Mitreisenden aber gewünscht. So unterschiedlich kann die Wahrnehmung von der Wichtigkeit einer Information sein.
Eine seltsame Sache ist mir noch aufgefallen. Obwohl die Bahn vermutlich keinerlei Verantwortung für die Verursachung dieser Umleitung hatte, war aus den Reihen meiner Mitreisenden sehr häufig zu hören, dass Sie eine Entschädigung haben möchten. Eine Entschädigung, dafür, dass etwas passiert ist, was nicht vorgesehen war. Den Wunsch müsste man doch an die Leiche auf der Bahnstrecke herantragen oder an denjenigen, der dies herbeigeführt hat.
Tun wir uns so schwer damit, zu akzeptieren, dass es im Leben nicht immer auf dem schnellsten Weg und ohne Umwege zum "Ziel" geht? Und brauchen wir immer einen Schuldigen oder Verantwortlichen, der uns Wiedergutmachung anbieten muss.